Von der Notkirche zur Notgalerie
von der Besetzung zur Institution 

Die wie ein Schiff an den Hügeln des Urbanen Feldes vor Anker gegangene Notgalerie ist gleichzeitig Gesamtinstallation und weitgereister Austellungsraum für zeitgenössische Kunst, und blickt auf eine sakrale Vergangenheit mit mehreren Umzügen zurück:

Notkirche
(1946-2001)

Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde in Wien-Döbling ein von Schuttbergen verwüstetes Grundstück von einer Gruppe freiwilliger Helfer als Bauplatz auserkoren. Die darauf errichtete Notkirche wurde 1947 eingeweiht und war mehr als zwanzig Jahre als Gotteshaus in Verwendung.
Als 1969 wegen eines geplanten Neubaus ihr Abriss bevorstand, interessierte sich eine junge Gemeinde auf der anderen Seite der Donau für das Gebäude. In den nächsten zwei Jahren fand die erste Übersiedlung der Notkirche statt, die 1972 als neue Filialkirche St. Josef der Gemeinde Aspern am Ulanenweg eingeweiht wurde. Als 2001 der Kirchenbetrieb eingestellt
wurde, entschied man sich weder für Abriss noch für eine neuerliche Übersiedelung, sondern baute einen Zaun um das Grundstück, der schnell verwuchs und das Gebäude für 15 Jahre vor den Blicken der Öffentlichkeit verbergen sollte.

Besetzung am Ulanenweg
(2015-2016)

Im Winter 2015 fand der Wiener Künstler Reinhold Zisser die Holzkirche in einem Zustand des fortgeschrittenen Verfalls. Nach mehrmaligen Besuchen entschloss er sich kurzerhand für eine Besetzung. Im Verlauf des Frühjahrs entstand die Idee der künstlerischen Aneignung der Räumlichkeiten: aus der Notkirche St. Josef am Ulanenweg wurde die Notgalerie, eine erste Ausstellungsreihe im Sommer folgte. Seit diesem Zeitpunkt versteht sich die Notgalerie als Gesamtinstallation in der Tradition der Sozialen Plastik. Über den darauf folgenden Zeitraum von zwei Jahren bot die so entstandene Plattform Raum für diskursive, performative und konzeptuelle Arbeitsansätze und es fanden Interventionen und Ausstellungen unter der Beteiligung mehrerer KünstlerInnen statt.

Translokation (2017)

Im Frühjahr 2017 stand das Ende der Notgalerie bevor. Ein neuer Pächter beschloss den Abriss zugunsten eines Wohnbauprojektes. Dies war das Initial für die erneute Translokation. Gemeinsam mit einem Team von jungen Künstlern und Architekten zerlegte Reinhold Zisser das gesamte Gebäude in mehrere tausend Einzelteile, welche sämtlich beschriftet in der Seestadt Aspern neu aufgebaut wurden. Dies geschah von Juli bis  September und wurde von einer Reihe von Ausstellungen, Performances und Interventionen begleitet.

Notgalerie in der Seestadt ( seit 2017)

Am 21. September 2017 wurde die Notgalerie Seestadt am Urbanen Feld eröffnet. Seither fanden dort eine Reihe von Ausstellungen, Interventionen, Performances und weiteren Kooperationen statt. So zum Beispiel im Frühling 2018 die Ausstellungsreihe „An der frischen Luft“, wo in einer Folge von vier Sonntagen je ein Wiener Kunstraum der nichtkommerziellen Ausstellungsszene die Notgalerie und das freie Feld bespielte.
Im Sommer 2018 fand eine Überschneidung von Ausstellungsprojekt und populärkultureller Großveranstaltung statt. Die Strandbar Hermann zäunte für das komplette Areal der Notgalerie ein und veranstaltete dort ein Public Viewing. Die Notgalerie reagierte mit der Ausstellungsreihe PUBIC VIEWING. 

Kunstland Nord (seit 2019)

Im Jänner 2019 wurde der Notgalerie durch die Seestadt das komplette Brachland / der komplette Baustellenbereich, eine Fläche von über 500.000 Quadratmetern – 50 Hektar – als Fläche für neue Projekte zur Verfügung gestellt. Dieses Areal gestaltet die Notgalerie nun unter dem Titel Kunstland Nord.