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Parallel zur Übertragung der Herrenfußballweltmeisterschaft am Urbanen Feld stellt sich die notgalerie eben- alls dem Blick einer breiteren Öffentlichkeit. Für die darauf stattfindende Begegnung formieren die beiden Künstler Reinhold Zisser und Christoph Schwarz ein Team von Wiener Kunstschaffenden um sich. Gemeinsam untersuchen sie das Spannungsfeld zwischen der sakralen Vergangenheit des Gebäudes, das nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Döbling auf einem von Schuttbergen bedeckten Bauplatz als Notkirche errichtet wurde, und dem Regime der Bilder, welche das Fußballgroßereignis hier inszeniert.

A U S S T E L L U N G 

Andreas Perkmann Berger gestaltete das Titelsujet zur Ausstellung, auf welchem er die Begegnungsfläche des Urbanen Feldes als Projektionsraum deutet. Ausgehend vom kleinen Format der Broschüre existiert eine Plakatvariante in einer nummerierten und signierten Fanauflage von Stück.

Das Zentrum des Gebäudes betrachtet Helmut Heiss, der den Boden des Innenraums öffnet und dabei in die Tiefe des Fundaments vor- dringt. Eine Konstruktion aus Eisenwinkeln, die unterschiedliche Blickwinkel berücksichtigt, verunsichert den Betrachter beim Einschätzen der tatsächlichen Dimension des Eingriffes.

Die Decke des Raumes bearbeitet Thea Möller, indem sie die schmiede- eisernen, sakralen Luster aus dem Jahr durch eine scheinbar tragende Stahlkonstruktion ersetzt, welche jedoch bei näherer Betrachtung keine stützende Funktion erfüllen kann.

Andrea Lüth und Gerald Roßbacher konzipierten die Fensterinstallation Notrichter, mit der sie Gerhard Richters Fenstergestaltung für den Kölner Dom zitieren und den Kunstraum und die darin mögliche Kontem-plation als modernen Glaubensersatz empfehlen.

Teile dieser bunten Lichtstrahlen, die durch die Fensterscheiben entstehen, fangen die Gewebe von Christina Gohli auf. Das Maschengeflecht ihrer Arbeit reflektiert die Stofflichkeit des Körpers und weist auf die Funktion von Textil als Zugehörigkeit schaffendes Symbol im Sport und unter seinen Anhängern hin.

Ines Hochgerner zeigt eine Adaptation der Arbeit Inter, in der sich das „heilige Raster der Moderne“ unter dem (nicht weniger heiligen) Weiß von großformatigen Papierbögen versteckt. Die verwitterten Holzwände der notgalerie treten dabei in Dialog mit der auf den White Cube verweisende Oberfläche des Papiers.

Bernhard Cella erinnert an die Räumlichkeiten seines allerersten Salons für Kunstbuch in Form einer Tapisserie, die an der Rückwand des Innenraums die Funktion eines Altarbilds zitiert. Ein Symbol der Wertschätzung für die Freiheit des individuellen Blicks auf das gedruckte Wort, der dem kollektiven Blick einer Großveranstaltung entgegengesetzt wird.

Reinhold Zisser verwendet für seine Arbeit a verna alte Werbebanner des Veranstalters und Meter Bauzaun, um einen unsichtbaren Raum zu öffnen, der nur über den Eingang der notgalerie für die BesucherInnen erfahrbar wird. Gleichzeitig führt er ein Fehlen fort, welches schon im Veranstaltungstitel seinen Anfang findet.

Den ehemaligen Glockenturm, seit der Schließung der Kirche im Jahr leerstehend, revitalisiert Alfred Lenz mit einer neuen Glocke. Diese wird über die gesamte Dauer der Veranstaltung in Interaktion mit dem Spielgeschehen der Weltmeisterschaft treten.

Thomas Garcia erschließt die Nordwestterrasse der notgalerie, indem er sie durch die Montage eines Geländers absturzsicher macht. Auf dem so erarbeiteten Terrain zeigt er einen Kontaktabdruck des eiserner Fußabstreifgitters, der am alten Standort der notgalerie entstand.

Teilnehmende KünstlerInnen der Klasse für Ortsbezogene Kunst und der Klasse Raum und Skulptur der Universität für Angewandte Kunst : Sara Bissen, Christian Christiansen, Anne Gammelgaard, Christoph Giesch, Lukas Gritzner, Raphael Reichl, Julia Steinbach.

INTERVENTIONEN AM GROSSBILDSCHIRM

Den letzten Schritt an die Grenze zwischen Fußballübertragung und Ausstellungsprojekt stellen als Interventionen angelegte Arbeiten dar, die den wichtigsten Bildträger am Platz, den LED Sceen am Urbanen Feld, für ihre Zwecke kapern:

Karin Ferrari beschäftigt sich in ihrer Mini-Pseudodokumentation DECODING FIFA World Cup Logo 2018 (THE WHOLE TRUTH) mit der verborgenen Bedeutung des Logo-Designs der Weltmeisterschaft. Hochkonzeptioneller Symbolismus, der eine Geschichte erzählt, die weit über das hinausgeht, was auf dem Spielfeld passiert.

Christoph Schwarz bedient sich in Die Prophezeiungen von Aspern zeitgenössischer Orakel zur Vorraussage von Spielergebnissen: Assoziative Versuchsanordnungen basierend auf dem Alltag des Künstlers, dokumentiert mit Handyvideo. In Schwarz‘ zweiter Intervention Opfermythos werden alle Tore, die Deutschland gegen Österreich seit geschossen hat, als konsequente Übersetzung des nationalen österreichischen Selbstverständnis chronologisch aneinandergereiht und an allen Spieltagen mit deutscher Beteiligung aufgeführt.

Das Österreichische Filmmuseum sammelt im Rahmen des Forschungsprojekts am rand : die stadt unter der künstlerischen Leitung von Gustav Deutsch und Hanna Schimek private Laufbilder aus der Peripherie von Wien. Zwei Ausschnitte daraus, die Freizeit und Sport thematisieren, werden in unregelmäßigen Abständen ebenfalls am großen Bildschirm zu sehen sein.

In der Online-Performance Operation Jane Walk wird die digitale Kampfzone eines dystopischen Mehrspieler-Shooters zur Landschaft für einen Stadtspaziergang. Leonhard Müllner und Robin Klengel zweckentfremden die aggressive Umgebung zum Schauplatz für eine architekturgeschichtliche Tour durch Manhattan. Die Skyline der Seestadt Aspern bildet dabei den Hintergrund für einen neuerlichen Rundgang der beiden digitalen Flaneure, begleitet von der Architektin Eva Sommeregger. Sonntag, 8. Juli 16 Uhr

VORFILMREIHE

An den spielfreien Abenden verwandelt sich das Urbane Feld in ein Sommerkino, für das die notgalerie eine Vorfilmreihe aus Österreichischen Experimentalfilmen zusammengestellt hat. Gemein haben die gezeigten Arbeiten einen Kreis als elementares Gestaltungsprinzip- eine nahelie- gende und gleichzeitig abstrakte Referenz zum sportlichen Großereignis.

mit: Johann Lurf, Anna Vasof, Karin Ferrari, Andrea Maurer & Thomas Brandstätter, Lukas Marxt, Bernd Oppl und Richard Wilhelmer

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